Beim Piano Jazz Festival in Stein am Rhein spielen Pianisten an zwei Flügeln in verschiedenen Formationen zusammen. Dabei geben die Spezialisten im traditionellen Jazz bekannten Werken aus der klassischen Musik eine ganz neue Note.
STEIN AM RHEIN. Jungen Journalisten wurde früher beigebracht, mit Superlativen vorsichtig umzugehen. Hier eine Ausnahme von der Regel: Das erste Konzert im Rahmen des 1st Piano Jazz Festival am Donnerstag im ausverkauften Windiersaal in Stein am Rhein war schlicht sensationell. Entsprechend begeistert wurden Maurice Imhof, Chris Conz und Dave Ruosch (alle Piano), die von Martin Meyer (Drums) hervorragend unterstützt wurden, immer wieder mit spontanem Zwischenapplaus und einer stehenden Ovation zum Schluss gefeiert.
Diese Euphorie hatte verschiedene Gründe: Erstens sind alle drei Pianisten Sonderklasse, was Konzerte in aller Welt und zahlreiche Auszeichnungen zeigen, die jeder der drei im Laufe der Jahre erhalten hat. Zum zweiten war das Programm unter dem Titel «Classic meets Jazz and a touch of Boogie» abwechslungsreich und äußerst geschickt zusammengestellt: Reine Klassik, Blues und Boogie Woogie sowie immer neue Mischungen dieser Stile ergaben ein Programm, in dem sich Höhepunkt an Höhepunkt reihte und das Publikum immer wieder mit neuen Kombinationen überraschte. Es ist fast unanständig, aus dieser Mischung einen Punkt besonders hervorzuheben, aber die vielen Arrangements, die zum großen Teil von Dave Ruosch stammten, waren immer wieder überraschend und virtuos.
Jazz im Dreivierteltakt
Um die Besprechung von hinten her zu beginnen: Die zweite Zugabe, bei der das Publikum klatschte und stampfte, ist ein besonders gelungenes Beispiel für den Stil des Quartetts. Geleitet von Imhof, der in diesem Stück den Lead hatte: «An der schönen blauen Donau» hat man in diesem Stil wohl noch nie gehört. Nach einem Intro Imhofs mit dem klassischen Thema fielen Conz und Ruosch, zu zweit am zweiten Flügel, zuerst sanft, dann immer wilder ein und verfassten den Walzerklassiker in immer neuen Variationen - immer ergänzt von Imhof mit der Originalmelodie und Meyer, der den Dreivierteltakt pointiert markierte. Jazz meets Wiener Walzer in Perfektion.
Vor allem gilt es, die Kombinationen klassischer Stücke und Pianojazz - vorwiegend Boogie - zu würdigen. Erwähnt seien etwa der «Hummelflug» von Rimski Korsakow - mit einer irren Gestaltung des Hauptthemas durch Ruosch - oder der «Säbeltanz» von Khachaturian. Aber auch bekannte Opernarien wie etwa der «Toreador» aus «Carmen» wurden verjazzt, ohne damit in keiner Weise verhunzt zu werden. «Es macht Spaß, Lieder zu verjazzen», meinte Ruosch dazu, der viele dieser Arrangements beisteuerte. Wie gut die Pianisten harmonierten, zeigte sich etwa beim «Toreador», bei dem das Thema am einem Flügel angespielt und mitten im Takt am zweiten beendet wurde.
Das berühmte Albumblatt
Das Repertoire ging aber weit über die Oper hinaus. Dass Johann Sebastian Bach gut verjazzt werden kann, weiß man seit Jacques Loussiers „Play Bach“-Aufnahmen aus den Sechzigerjahren. Bei Bachs «Toccata und Fuge in d-Moll» standen alle drei Pianisten zu Beginn am gleichen Flügel, wobei sie rotierend vom Bass nach ganz oben und wieder hinunter wechselten - eines der vielen Beispiele dafür, dass die drei auch die Show beherrschen. Der erste Satz aus Mozarts Symphonie Nr. 40 wurde im karibischen Stil dargeboten. Beethovens viel gespieltes «Albumblatt für Elise» wurde, wie es sich für das Stück gehört, wenn es gut gespielt wird, auch in der verjazzten Form sehr tänzerisch interpretiert. Der klassische Jazz ohne Klassikeinsprengsel kam auch nicht zu kurz. Bei "Walking the Dog" etwa glaubte man beim Spiel von Dave Ruosch mit der rechten Hand einen vergnügt tänzelnden Hund förmlich zu sehen. Das Konzert wurde in der gleichen Formation am Freitag wiederholt. Heute, Samstag und morgen Sonntag spielen Imhof zusammen mit Rossano Sportiello (Piano) und Valerio Felice (Drums) unter dem Titel «The Classic meets Jazz Trio». Wer noch eine Karte möchte, muss hoffen, dass jemand nicht kommt: Alle vier Konzerte sind ausverkauft. Ein klares Signal dafür, dass das erste «Piano Jazz Festival» hoffentlich nicht das letzte war.
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